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Naturpädagogik des Waldkindergarten

Erziehung streut keinen Samen in die Kinder hinein,

sondern lässt den Samen in ihnen aufgehen.

(Khalil Gibran)

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Sinneserfahrungen

Kinder lernen in hohem Maße durch Sinneseindrücke die Welt zu begreifen. Um solche Erfahrungsprozesse zu ermöglichen, brauchen Kinder eine Umwelt, die ihrem Bedürfnis nach Aktivität und selbstständigem Handeln entgegenkommt.
Die Natur bietet eine unerschöpfliche Vielfalt an Sinneseindrücken und ermöglicht somit die Schulung und Sensibilisierung der Sinne in sehr ausgeprägter Weise.
Die Kinder „arbeiten“ mit ihren Händen und fühlen dabei die unterschiedlichsten Materialien, wie Zapfen, Moos, Gras, Erde - "greifen ist  begreifen".

Eine große Fülle von Gerüchen in unterschiedlicher Intensität begleiten uns in der Natur.

Ein heute seltenes Gut, dass der Wald bietet, ist die Ruhe und Stille, die heute eher unüblich geworden ist.
Außerdem ergeben sich immer wieder Möglichkeiten Interessantes (kleine Käfer, umgestürzte Bäume, ...) zu entdecken und die Kinder werden zu ausdauernden Beobachtern.
Die Natur unterliegt einer ständigen zyklischen Veränderung, nie sieht ein Platz im Wald so aus wie am Vortag, dafür sorgen die Einflüsse des Wetters und die Lebensgewohnheiten der Tiere und natürlich bietet die Lichtung im Spätherbst ein anderes Bild als im Frühjahr. Daraus resultieren viele Fragen der Kinder, die sie in vielen Fällen durch Ausprobieren und Experimenten selbst beantworten oder ihre Neugierde mit der Unterstützung der Pädagoginnen stillen können.
Es handelt sich im Waldkindergarten also um unmittelbares, eigentätiges Erleben von Erfahrungen mit allen Sinnen, anstelle von den heute überwiegenden Projektionen aus zweiter Hand.

Achja ... und die Jause schmeckt wohl draußen und nach so viel handelndem Entdecken und Bewegen besonders gut!

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Soziales Lernen

Viele Kinder sind im Kindergarten das erste Mal mit einer Gruppe von Kindern konfrontiert und hier wird auch der Grundstein für den sozialen und gesellschaftlichen Umgang mit anderen Menschen im späteren Leben gelegt. Die Vermittlung sozialer Kompetenz ist eine der wichtigsten Ziele aller Kindergärten, so müssen Kinder lernen, Kontakte zu knüpfen, zuzuhören, sich durchzusetzen, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu akzeptieren und angemessen damit umzugehen. Die Rahmenbedingungen im Wald fördern die gute Kommunikation der Kinder untereinander. Außerdem bietet die Natur die Möglichkeit einer frühen und konstruktiven Konfliktlösung. Die PädagogInnen sind nicht durch organisatorische Vorbereitungen abgelenkt, denn diese finden nicht in der regulären Kindergartenzeit statt. Auch durch die Gegebenheiten des Waldes und das Fehlen von vorgefertigtem Spielzeug sind die Kinder viel mehr als im Regelkindergarten aufeinander angewiesen. Zum Beispiel lässt sich eine steiler Hügel leichter mit der Hilfe der Anderen erklimmen, oder ein „Unterschlupf“ leichter mit mehreren Händen bauen. Kinder müssen um derartiges zu ermöglichen, aufeinander zugehen, ihre Ideen austauschen, besprechen und miteinander umsetzen, was wiederum hohe Kommunikationsbereitschaft und –fähigkeit erfordert.

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Bewegung & Motorik

Zahlreiche Kinder leiden heute aus unterschiedlichen Gründen an einem Mangel an Bewegung und in vielen Fällen fehlt die Möglichkeit, primäre Sinnes- und Körpererfahrungen zu machen. Der Wald bietet Kindern vielfältige Bewegungsmöglichkeiten und unterstützt die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten. Beim Springen über Bäche, beim Balancieren über umgefallene Bäume, beim Rennen über den unebenen (weiches Moos, steinige Untergründe, usw.) von „Hindernissen“ (Unterholz, Abhänge, usw.) übersäten Waldboden, beim Klettern am Kletterbaum, beim Hangeln an Ästen, usw., können die Kinder ihre körperlichen bzw. motorischen Fähigkeiten erproben und trainieren, bis sie an ihre Grenzen stoßen. Beim Spielen und Basteln mit Naturmaterialien, wie beispielsweise beim Fichtennadeln vom Boden aufheben, oder dem Flechten von Blumen und Gräsern zu Kränzen, beim Basteln und Bauen von beispielsweise Schiffchen, Türmen, usw., können sie außerdem ihre Feinmotorik trainieren.Auch die Förderung im psychomotorischen Bereich findet unter idealen Bedingungen statt, da Räume für ganzkörperliches, intensives Handeln das Kind umgeben. Es handelt sich bei der Förderung der Bewegung und Grobmotorik überwiegend um impulsives, intrinsisch motiviertes, eigentätiges Handeln der Kinder. Es ist also nicht notwendig, dass die PädagogInnen angeleitete Bewegungs- und Turneinheiten im Wald durchführen, sie sollen lediglich Hilfestellungen leisten, sie in ihren Bewegungsaktivitäten bestärken und darauf achten, dass Kinder sich nicht zu oft zu schwierige Aufgaben stellen, um zu häufige Misserfolgserlebnisse zu verhindern. Durch das Zurücklegen von unterschiedlichen Strecken zu unterschiedlichen Plätzen ergibt sich ein weiterer positiver Effekt, nämlich dass die Kinder einen besseren Einblick bzw. ein besseres Gefühl in und für Raum- und Zeitdimensionen erhalten.

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Das freie Spiel

Das Spiel ist so alt wie die Menschheit selbst. Kinder kommen mit der Gabe des Spielens zur Welt, Spiel bedeutet für sie Lebensaneignung.
Das Freispiel ist von größter Bedeutung, weil es selbstgesteuerte und aus einem unabhängigen Impuls entstandene Erfahrungen ermöglicht, entsprechend der individuellen Lernbiographie eines jeden Kindes.
Kinder haben im Wald einen optimalen Handlungsraum, um der Fantasie und Kreativität, ihrer selbstbestimmten Spieltätigkeit freien Lauf zu lassen.
Es gibt kein vorgefertigtes Spielzeug. Die Materialien, mit denen die Kinder im Wald spielen, sind nicht an sich attraktiv, sondern gewinnen ihren Wert erst dadurch, dass man ihnen eine Bedeutung gibt, beispielsweise kann ein Stock einmal ein Zauberstab und dann wieder ein Werkzeug sein, oder was für einen Erwachsenen ein umgefallener Baumstamm ist, kann für Kinder ein Segelschiff, ein Tisch, u.v.m. sein. Kinder können eigentätig kreativ werden und ihren inneren Reichtum entfalten, was eine tiefe innere Befriedigung beim Kind schafft. Sie erleben, wie ihre Fantasie sie auszufüllen zu vermag und dass sie sich in sie zurückziehen können.
Außerdem stärkt es das Selbstbewusstsein der Kinder, wenn sie solch ein Refugium besitzen und damit von anderen Unterhaltungen unabhängig sind.
Weiters kommt im Waldkindergarten der pädagogische Ansatz des „Spielzeugfreien Kindergartens“ unbeabsichtigt und auf natürliche Weise zu tragen. In unserer konsumorientierten Gesellschaft, durch welche jedes Kind ob arm oder reich geprägt wird, werden andere Werte und wichtige Lebenskompetenzen, wie Selbstständigkeit, Frustrationstoleranz, Konfliktfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Selbstvertrauen sehr oft vernachlässigt und ausgeklammert, als „Ersatzbefriedigung“ gelten hier sehr oft Konsumgüter. Die Alternative „Spielzeugfreier Kindergarten“ soll bei Kindern als Suchtprävention wirken und sie davon zu überzeugen, dass „Haben nicht gleich Sein“ ist.
Ein anderer Aspekt ist, dass der Wald aber auch ganz ohne konkrete Materialien die Fantasie der Kinder belebt. Sie kennen ihn ja schon aus Märchen und Sagen, so kann er bei entsprechender Beleuchtung schnell eine märchenhafte Aura entfalten. Wer kann schon mit Gewissheit sagen, dass nicht im nächsten Moment eine Fee oder ein Riese aus den Bäumen hervor tritt? Langweilig wird es im Wald jedenfalls nicht.

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Umwelterziehung

Die heutige Kindheit findet zunehmend in geschlossenen Räumen statt und Tiere und Pflanzen kennen viele Kinder nur aus Büchern oder dem Fernsehen.
Die Diskussion um eine geeignete Umweltpädagogik hat erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen, wurde aber im Laufe der Zeit zunehmend als wichtig geahndet. Spätestens seit der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen im Jahre 1992 ist die Umweltpädagogik und vor allem die Idee der Nachhaltigkeit, die in der Agenda 21 festgeschrieben wurde, als wichtiges Lern- und Erziehungsziel anerkannt. Es wurde seitdem ein breites Spektrum außerschulischer Umweltbildungsangebote entwickelt, der Waldkindergarten gehört in diesen Kontext.
Kindergartenkinder sind für Naturerfahrungen besonders empfänglich. Kein Alter, versichern Psychologen und Umweltpädagogen, sei geeigneter, ein lebenslanges intensives Verhältnis zur Natur aufzubauen.
Der Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist eine Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts. Kinder, die einen Waldkindergarten besucht haben, sind für solche Fragen, die mehr und mehr auch eine große wirtschaftliche Bedeutung haben werden, sicherlich gut gerüstet.
Diese schon sehr früh entwickelte Bindung an die Natur lässt die Bereitschaft wachsen, sorgsam mit der Natur umzugehen, die Natur zu schützen. Zum Beispiel wird im Waldkindergarten immer ein Sackerl für in der Natur unachtsam weggeworfenen Müll mitgenommen, Eltern berichten, dass sie ohne ein Müllsackerl gar nicht mehr spazieren gehen können.
Das Kind hat im Waldkindergarten die Möglichkeit mit Kopf, Herz und Hand die Natur wahrzunehmen. Es erfährt sich als Teil des Ganzen.
Durch das tägliche direkte Erleben gewinnen die Kinder grundsätzliche Einsichten in Sinn- und Sachzusammenhänge der natürlichen Umwelt und elementare und biologische Gesetzmäßigkeiten. Rhythmus und Wirkung der Jahreszeiten werden ihnen vertraut.

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Schulvorbereitung

Der Waldkindergarten erfüllt alle pädagogischen Aufgaben, die laut § 2 des Kinderbildungs- und betreuungsgesetzes an österreichische Kindergärten gestellt werden.

Eine empirische Untersuchung die in acht Bundesländern Deutschlands durchgeführt wurde ergab, dass in allen untersuchten Bereichen die Kinder, die als vorschulische Einrichtung einen Waldkindergarten besucht haben, einen Vorsprung gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern aus dem Regelkindergarten vorweisen können. Die Feinmotorik üben die Kinder, z.B. durch Tannennadeln aufheben, oder durch verschiedene   Aktivitäten, wie Gräserkränze flechten, mit dem Handbohrer Löcher in Eicheln bohren, usw.- Stillsitzen üben die Kinder nicht auf Stühlen im Wald, aber wenn man Kinder kindgerecht   fordert, z.B. mit einem Bilderbuch, einer Geschichte, dann bleiben sie auf ihren Isomatten am   Boden oder auf Baumstümpfen, usw. sitzen. Die Kinder bleiben beim Morgenkreis, oder   Abschlusskreis, oder bei der Jause sitzen. Farben, Formen und Zahlen erleben die Kinder im Jahreszeitenablauf, wenn sie im Herbst mit   bunten Blättern z.B. Bilder legen, erleben sie Farben. Zählen tun sie Steine, Zapfen oder im   Morgenkreis die Kinder, usw. .- Sprache ausprobieren, vor einer Gruppe frei zu sprechen werden im Morgen- und   Abschlusskreis und bei pädagogischen Angeboten für die Ganze Gruppe „geübt“. Balanciert und gesprungen wird nicht in Turneinheiten, sondern über jeden gefällten Baum,   sooft die Kinder Lust dazu haben.

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Ethisch - Religiöse Wertevermittlung

Im Wald nehmen Kinder das Leben bzw. die Lebendigkeit in jedem Winkel wahr. Durch die aufgegriffenen und beobachteten Gesetzmäßigkeiten im Jahreskreislauf lernen die Kinder den Lauf der Dinge kennen und schätzen. Sie können sich durch die Gegebenheit, dass der Wald ein umfassender Lebensraum ist, als Teil des Ganzen wahrnehmen. Die Achtung vor dem Leben bzw. vor der Schöpfung und das Begreifen des eigenen Ichs als Teil des Lebens wecken Gefühle der Liebe, Vertrautheit und Verantwortung im Kind.Die Begegnung des Werdens, Vergehens und Erwachens in der Natur wird für die Kinder eine Selbstverständlichkeit, die sie auf ihren weiteren Lebensweg mitnehmen.

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Ohne Wände

Ein weiteres seltenes Gut, dass der Wald bietet ist die Ruhe und Stille, die heute eher unüblich geworden ist. Zwischen den Bäumen und im Unterholz verlieren sich die Stimmen der Kinder und der Lärmpegel gestaltet sich im Gegensatz zu dem im Regelkindergarten sehr gering.
Das wohl Bezeichnendste am Waldkindergarten ist, dass er weder Türen noch Wände hat. Die Kinder haben die Möglichkeit sich zurück zu ziehen, wenn sie das Bedürfnis haben, mit der Einschränkung, dass es die anderen Kinder und die Erzieherin noch sehen kann.
Berichte von WaldkindergärtnerInnen und Eltern belegen, dass Kinder die einen Waldkindergarten besuchen, ausgeglichener und stressfreier sind als andere Kinder.
Es gibt in den etwa vier Stunden am Vormittag, die im Freien verbracht werden einen beheizbaren Bauwagen, sowie einen Unterstand, welcher bei schlechtem Wetter aufgesucht werden kann.

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